Wagniskapitalgeber investieren angesichts der aktuellen Nachrichtenlage vorsichtig. Nur wenige Gründer dürfen mit Kapitalspritzen rechnen. Ergebnisse des jüngsten Business Angels Panel.
Selbst die chronisch optimistischen Business Angels verlieren irgendwann ihre gute Laune. Verwunderlich ist das nicht – die Liste der aktuellen Stimmungskiller ist lang: Krieg in Europa, ausufernde Energiepreise, Klimakrise, Corona, Inflation, drohende Rezession…
Dementsprechend bewerten die 43 Teilnehmer des aktuellen Business Angels Panel ihre Geschäftslage im 2. Quartal nur noch mit 4,11 Punkten. Die Skala reicht dabei von 1 (=sehr schlecht) bis 7 (=sehr gut). Zur Einordnung: In der inzwischen fast 21-jährigen Geschichte der Erhebung gab es nur zwei Quartale, in denen der Wert noch niedriger war – zuletzt nach Ausbruch der Covid-Pandemie.
Auch bei der Einschätzung der Geschäftsaussichten gab es einen herben Rückschlag: Von den 5,03 Punkten aus dem Vorquartal blieben nur 4,41 übrig. Resultat dieses trüben Stimmungsbildes ist große Vorsicht: Nur zwölf Befragungsteilnehmer machten Geld locker für neue oder bestehende Beteiligungen. Das Volumen der jeweiligen Transaktionen war dabei überschaubar: Im Durchschnitt wechselten lediglich gut 24 000 € den Besitzer. Ein Rückblick zeigt: In nunmehr 80 Befragungsrunden war der Wert nur acht Mal kleiner – zuletzt im 3. Quartal 2015.
Wer nun glaubt, dass das für Angel-Investments vor-gesehene Konto prall gefüllt sein müsste, irrt. Die Wagnisfinanzierer bereiten sich offenbar auf eine längere Durststrecke vor. Jedenfalls sind nicht mal mehr 30 % ihres Budgets frei verfügbar. Mit anderen Worten: Über 70 % der Gelder sind schon ausgegeben oder verplant. So knapp waren die freien Mittel in den letzten Jahren nur selten.
Das sind schlechte Nachrichten für Unternehmensgründer: Ihre Kapitalanfragen werden wohl häufig unbeantwortet bleiben. Das ist auf lange Sicht auch schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn junge, innovative Firmen sorgen für die Arbeitsplätze von morgen. Doppelt bitter: Ideen sind aktuell offenbar reichlich vorhanden. Jedem Panel-Teilnehmer wurden im Durchschnitt fast 40 ausformulierte Geschäftskonzepte zur Prüfung vorgelegt. Dieser Wert wird zwar etwas verzerrt durch einen Power-Angel, der 300 Businesspläne erhielt. Doch selbst ohne diesen Ausreißer liegt der Durchschnitt noch bei fast 30. Und wer hat im Wettbewerb um die knappen Mittel die besten Karten? Wie im Vorquartal sind es die Umwelt-techniker. Auf Platz zwei drängen sich Energieexperten. Soweit vorne waren sie zuletzt 2013. Getrieben wird dieser Aufstieg wohl vom Ukraine-Krieg. Mit einem ungewohnten Platz drei müssen sich Softwareentwickler begnügen. Es ist vier Jahre her, dass sie nicht Teil des Führungsduos waren. Schuld ist die Nachrichtenlage.
In den Top-5 etabliert haben sich unterdessen die Industrieautomatisierer. Am Hochlohnstandort Deutschland sind sie unverzichtbar. Dementsprechend rücken sie vor auf Platz 4. Platz 5 teilen sich alte Bekannte: Biotechniker und die Entwickler neuer Materialien. Beide wurden vor Jahren gehypt, standen zuletzt aber selten so hoch in der Gunst der Finanzierer.
Fast verwunderlich ist, dass es die Logistiker nur auf Platz 8 geschafft haben. Ihre Ideen sind aktuell gefragter denn je. Hintergrund: Auf den Straßen fehlen Brummi-Fahrer, auf den Flüssen kämpfen Binnenschiffer mit niedrigen Flusspegeln und auf den Ozeanen kommt es zu Staus aufgrund von streikenden Hafenarbeitern, Corona und Hafenblockaden. Abseits der vielen Auf- und Absteiger in der Hitparade der Business Angels gibt es doch eine verlässliche Konstante: die Einzelhändler. Sie tragen – wie eigentlich immer – die rote Laterne.
Positiv fiel die jüngste Exit-Bilanz aus: Acht Finanzierer trennten sich von Beteiligungen. Nur einmal geschah dies auf dem Unternehmensfriedhof – also via Insolvenz. In sechs Fällen übernahm ein strategischer Investor die Anteile, einmal kauften die Gründer den veräußerten Teil der Torte zurück.
In einer Zusatzfrage der jüngsten Erhebung wollten die Panel-Initiatoren wissen, welchen Einfluss die aktuelle Nachrichtenlage auf die Wagnisfinanzierer nimmt. Die erstaunliche Antwort: Fast die Hälfte (44,4 %) behauptet, dass sie sich von Tagesschau & Co. gar nicht oder kaum in ihrem Engagement beeinflussen lassen. Nur gut jeder fünfte Business Angel sagt, dass das Weltgeschehen starke oder zumindest spürbare Effekte auf den jeweiligen Investitionsfokus hat.