Im Gespräch: „History Voices“ Gründerin Astrid Kronsbein und Angel Investorin Petra Hartjes

Astrid Kronsbein hat im Oktober 2018 das Start-up „History Voices“ gegründet. Das Start-up macht Geschichte auf dem Tablet lebendig. Die Playbook-Apps sind als interaktive Bücher zu verstehen. Sie erklären geschichtliche und gesellschaftliche Zusammenhänge durch Storytelling und Gameplay-Elemente. Petra Hartjes hat 2021 als Angel Investorin in das Unternehmen investiert. BAND hat Gründerin und Investorin zum Doppelinterview getroffen.

Frau Kronsbein, erklären Sie doch mal, was es mit „History Voices“ genau auf sich hat.
Die Idee hinter „History Voices“ ist es, Kindern die Geschichte Europas nachhaltig zu erklären und gleichzeitig den Bezug zur heutigen Gesellschaft herzustellen. Konkret handelt es sich um eine App für iPad, Handy oder Rechner. Die Kinder nehmen die Rolle der Hauptfigur ein und erleben historische Ereignisse – basierend auf wissenschaftlicher Literatur und entsprechend den schulischen Lehrplänen. Dabei lassen wir die Kinder nicht allein. Vor und nach dem Geschichtsabenteuer treffen sie den „Geist der Menschheit“. Der „Geist “ liegt in Ketten und begleitet die Kinder und erklärt den Bezug zu heute und wenn es gut läuft, können die Kinder mit ihrem Wissen über die Geschichte die Ketten des Geistes sprengen.

Vielleicht können Sie auch etwas zur praktischen Entwicklung von „History Voices“ sagen?
Wir haben zunächst einmal das Inhaltliche, praktisch die Story, die die Lehrpläne aufnimmt. Die Story schreibe ich. Dann habe ich ein Team – zumeist Studierende aus dem Bereich der Geschichts- oder Religionswissenschaft, Germanistik und Geschichtslehrer – mit dem ich viel recherchiert und inhaltlich gearbeitet habe. Dann kommt der Teil der „Game Engine“, da haben wir die Software „Unity“ verwendet, um die Szenerien aufzusetzen. Wichtig dabei ist, dass wir uns bewusst nicht mit den aktuellen Spielen vergleichen wollen, sondern ganz klar sagen: Die Playbooks sind interaktive Bücher mit dem Fokus auf das Storytelling. Dann haben wir die Game Designer, die die Figuren entwerfen und modellieren. Zum Schluss kommt der Programmierer, der die Figuren von A nach B laufen lässt und das Ganze zum Leben erweckt. Und ganz zum Schluss haben wir dann im Tonstudio noch die Dialoge etc. zu synchronisieren. Also insgesamt eine sehr aufwendige Produktion, aber dafür wird die Geschichte auch sehr greifbar und erlebbar für die Kinder.   

Welche Zielgruppe sprechen Sie an? Für welches Alter ist „History Voices“ am spannendsten?
Jetzt aktuell mit unserem ersten Produkt „Playbook Antike“ haben wir als Richtwert ab Klasse fünf empfohlen, das heißt für Kinder ab circa elf Jahren. Das Ganze ist abgestimmt auf die  Lehrpläne der Klasse fünf und sechs und setzt insoweit einen gewissen Reifegrad der Schülerinnen und Schüler voraus. Interessant ist, dass unsere primäre Zielgruppe die Lehrerinnen und Lehrer sind, die eine Lizenz für den Unterricht erwerben und den Stoff des Lehrplans dann anhand von „History Voices“ veranschaulichen. Während unserer ausgiebigen Tests haben wir dann festgestellt, dass die Kinder auch privat ein großes Interesse daran haben. Im Lockdown bin ich auf die Idee gekommen, das Ganze mit der so genannten Starterbox Antike auch für den Handel aufzubereiten. Die Starterbox beinhaltet neben der Download Karte für die App auch etwas Haptisches, nämlich zwei Sammelfiguren sowie ein Begleitbuch mit Geschichten und Rätseln zur Episode.       

Wie ist der aktuelle Status Quo bei „History Voices“?
Gestartet sind wir mit der Epoche „Antike“ und der ersten Demokratie im antiken Griechenland. Das Ziel ist schon, dass man aus den unterschiedlichen Epochen verschiedene Geschichten erzählen kann – von den Römern über das Mittelalter bis zur Neuzeit. Seit dem Sommer ist die Starterbox Antike verkaufsfähig. Das ist auch gut angelaufen. Wir sind aktuell mit mir einschließlich drei Mitarbeiter. Dazu kommt aber noch ein Team von zahlreichen Externen. Unser Fokus liegt zurzeit darauf, die nächste Episode „Mittelalter“ zu veröffentlichen, das wird etwa im Juni oder Juli 2022 der Fall sein.

Wie sehen die Herausforderungen für die Entwicklung von „History Voices“ aus?
Ich denke, ganz wichtig ist für uns, erst einmal aufzuklären, was es mit „History Voices“ auf sich hat und das Produkt vorzustellen, bekannter zu machen und die Leute davon zu überzeugen, dass es ein sehr sinnvolles Produkt ist. Im Hinblick auf die verkauften Schullizenzen konnten wir bis dato noch nicht so viel Land gewinnen wie erhofft, hier hat sich Corona erst sehr negativ ausgewirkt, weil wir keine Teststunden an den Schulen durchführen und so die Playbooks nicht näher vorstellen konnten. Außerdem ist 2020 und 2021 die wichtige Schulmesse Didacta ausgefallen. Inzwischen haben wir aber festgestellt, dass Corona uns vielleicht sogar helfen kann, denn alle waren gezwungen, digitale Medien zuzulassen und man hat gemerkt, dass Digitalisierung in der Schule auch funktionieren kann und Vorteile mit sich bringt. Die Hürde ist natürlich: Wenn man das Produkt bei einem Testtag vorgestellt hat, dann mahlen die bürokratischen Mühlen erst einmal. Der Prozess ist dann nicht nach zwei Wochen abgeschlossen. Und grundsätzlich werden wir selbstverständlich immer attraktiver, je mehr Inhalt wir anbieten können.

Frau Kronsbein, Sie haben ja auch bereits ganz andere berufliche Dinge gemacht: Wie kam es zur Idee von „History Voices“?
Ich bin examinierte PTA und staatlich anerkannte Musical Darstellerin, habe mich aber für eine künstlerische und selbstständige Laufbahn entschieden. Ich habe während des Bühnenstudiums schon Kinder und Jugendliche um mich herumgeschart und dann rund 15 Jahre eine Tanzschule für Ballett und Bühnentanz aufgebaut und betrieben. Ich habe für meine Schüler eigene Musicals geschrieben und bin mit Storytelling sehr vertraut. Mit Ende 30 habe ich mich dann aber gefragt, ob ich das noch 30 Jahre weitermachen möchte. Schließlich sprechen wir von Leistungssport und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich noch anders weiterentwickeln möchte und habe die Tanzschule erfolgreich verkaufen können.

Frau Hartjes, wie sind Sie überhaupt auf „History Voices“ aufmerksam geworden?
Das war bei einem BAAR Forum, also einer Veranstaltungsreihe der Business Angels Agentur Ruhr. Das Ganze war im Frühjahr 2020. Ich erinnere mich, dass ich das sehr gut fand, was ich von Frau Kronsbein gehört hatte und dass Herr Dr. Bauer im Nachgang der Veranstaltung auch bereits Kontakt mit Frau Kronsbein aufgenommen hatte. Ich habe ihn dann kontaktiert und dann sind wir auch recht schnell übereingekommen, dass wir uns gemeinsam beteiligen wollen.

Was ist das Besondere an „History Voices“? aus Angel Sicht, Frau Hartjes?  Was hat Sie fasziniert?


Das Corona Zeitalter hatte ja bereits begonnen und damit einhergehend auch das Thema Home-Schooling und digitales Lernen. Und da passte das Ganze wie die Faust auf’s Auge. Was mich fasziniert, ist zum einen der aufwendige technische Hintergrund und andererseits die Verknüpfung von Lernen im Kontext gesellschaftlicher Einbindung über die Schulen. Darüber hinaus sehe ich sehr großes Potenzial in „History Voices“, denn es gibt ja nicht nur interessierte Schulen, sondern auch viele interessierte Eltern, die die Kombination „spielerisches Lernen“ oder „anspruchsvolles Spielen“ sehr zu schätzen wissen.   

Passt „History Voices“ in Ihr „Beuteschema“ im Hinblick auf Branche, Potenzial, so Sie denn eines haben, Frau Hartjes?
Viele Personen wissen – aus welchen Gründen auch immer – dass mein wirtschaftlicher Hintergrund im Bereich der Getränke liegt und deswegen erhalte ich aus dieser Richtung auch regelmäßig Anfragen. Tatsächlich war ich aber auch bereits einmal in ein Start-up investiert, dass ein edukatives Programm entwickelt hat. Da ging es allerdings eher in Richtung Erwachsenbildung, Teambuilding. Was ich aber ganz grundsätzlich wichtig finde bei einem Investment, ist, dass ich es verstehe. Das klingt banal, aber ich habe festgestellt, dass es sehr viele hochattraktive Ideen und Start-ups dahinter gibt, die ich aber nicht verstehe. Ich finde „History Voices“ kann man gut begreifen, auch wenn ich nicht alle technischen Aspekte, z.B. bei der Programmierung verstehe. In jedem Fall verstehe ich, worum es geht und wie das Produkt angewendet wird. Und das ist für mich wichtig, auch wenn es z.B. darum geht, weitere Investoren von dem Konzept zu überzeugen und zu gewinnen.

Seien Sie doch einmal so nett und beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit „History Voices“, Frau Hartjes
Meine Ansprechpartnerin bei „History Voices“ ist einzig Frau Kronsbein. Die weiteren Teammitglieder kenne ich nur aus Berichten. Das hat zum einen ein Stück weit mit Corona zu tun, liegt zum anderen aber auch daran, dass Frau Kronsbein alles hat vermitteln können, was aus Investorensicht wichtig war. In der Gesellschaft ist Herr Dr. Bauer ein weiterer Ansprechpartner. Wir haben uns so eingerichtet, dass wir alle 14 Tage ein Zoom Meeting haben. Im Rahmen dieser Meetings haben wir einerseits Statusbesprechungen, andererseits aber auch strategische Themen. Monatlich werden wir von Frau Kronsbein über den Finanzstatus informiert, wir bekommen eine BWA mit Erläuterungen und Budgets. Was mir an der Zusammenarbeit mit Frau Kronsbein gut gefällt, ist, dass sie Ihre Stärken kennt und ihre Position vertritt, aber zugleich ihre „Bereiche mit Verbesserungspotenzial“ kennt. 

Und wie würden Sie, Frau Kronsbein, die Zusammenarbeit beschreiben?
Also zunächst bin ich sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit Frau Hartjes und Herrn Dr. Bauer und das gar nicht nur aus finanzieller Sicht. Frau Hartjes bringt beispielsweise eine beeindruckende Klarheit in den „betriebswirtschaftlichen Wust“ hinein und ich sauge die ganzen Informationen, die ich bekomme, dankbar auf. Was ich sehr schätze, ist einerseits die Erfahrung, die Frau Hartjes, aber auch Herr Dr. Bauer als weiterer Investor und Geschäftspartner, mitbringen und andererseits die sehr gute Kommunikation, die sehr offen ist und bei der man sich auch nicht scheut, Probleme anzusprechen. Das sehe ich als sehr wichtige Grundlage für die gemeinsame Zusammenarbeit.          

Wollen wir auch über Geld sprechen? Wie viel haben Sie bei „History Voices“ investiert, Frau Hartjes und wie sieht der Plan für Ihre weitere Zusammenarbeit aus?
Wir haben eine direkte Beteiligung am Unternehmen und sind aktuell gerade dabei, ein wenig nachzufinanzieren und Herr Dr. Bauer und ich sind dann jeweils mit 40.000€ bei „History Voices“ investiert. Ich denke, dass wir relativ schnell auch mit den Planungen zur dritten Episode loslegen sollten. Denn die Konkurrenz schläft nicht und ich könnte mir vorstellen, dass unser Konzept Nachahmer finden könnte, denn wirklich schützen lassen können wir das Produkt nicht. Ich kann mir vorstellen, dass die weitere Entwicklung von Episoden weitere Investitionen erforderlich macht und damit eventuell auch weitere Investoren mit ins Boot kommen. Abschließend kann ich eigentlich allen Eltern und Lehrern nur wärmstens empfehlen, sich „History Voices“ anzuschauen und auszuprobieren, – um auch nochmal ein bisschen Werbung zu machen -, denn es ist ein wirklich tolles Produkt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen beiden für „History Voices“ viel Erfolg weiterhin!

Zur Website von „History Voices“ geht es hier.